Schweizer Diplomat schlägt nach Scheitern des Rahmen­ab­kom­mens mit der EU vor ein Freihan­dels­ab­kommen à la Kanada zu prüfen

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29.03.2021 von Markus Eberhard
Landkarte, auf der die Schweiz und China sowie Japan hervorgehoben sind und über denen wechselwirkend Pfeile aufeinander gerichtet sind

Über das Rahmenabkommen mit der EU haben wir in den letzten Jahren schon mehrmals geschrieben, zuletzt vor einem Jahr: EU erhöht den Druck wegen des Rahmenabkommens – die Schweizer Medizinaltechnik im Visier. Jetzt steht das Abkommen vor dem Aus und schon bald wird sich die Frage stellen, wie es denn nun weitergehen soll. Ein Schweizer Diplomat schlägt ein stufenweises Vorgehen vor inklusive Prüfung, ob die Schweiz nicht ein Freihandelsabkommen à la Kanada prüfen sollte.
Die Ideen stammen von Dr. Paul Widmer, Schweizer Diplomat und Lehrbeauftragter für internationale Beziehungen an der Universität St. Gallen. Er findet, dass die Differenzen zu gross sind zwischen den Parteien. Bundesrat Ignazio Cassis dürfte dem Gesamtbundesrat bald beantragen, die Verhandlungen abzubrechen. Dr. Widmer ist der Meinung, dass der Bundesrat richtig handelt, wenn er endlich den Reset-Knopf drückt. Doch eines ist sicher: Über kurz oder lang werden wir mit der EU wieder verhandeln. Bevor wir dies tun, schlägt er drei wichtige Dinge vor:

  1. Lehren aus den abgebrochenen Verhandlungen ziehen
  2. eine Standortbestimmung vornehmen
  3. neue Ziele setzen

Unter seinen Punkten sind zwei sehr interessant in unserem Zusammenhang:

a) Im Rahmen der Standortbestimmung gibt er zu bedenken, dass der Aussenhandel mit der EU zwar sehr wichtig ist für die Schweiz. Er merkt aber an, dass seine Bedeutung sinkt, wie man das in der Grafik Exporte nach Handelspartner unserer Aussenhandelsstatistiken auch gut erkennen kann: Die grössten Wachstumsmärkte liegen nicht in der EU, sondern in Fernost und in Amerika. Dazu ein paar Zahlen: Die Warenexporte nach Deutschland stiegen zwischen 2000 und 2019 um 63 Prozent, jene in die USA jedoch um 154 Prozent. Früher war Deutschland der weitaus wichtigste Absatzmarkt. Nun liefern sich die beiden Länder ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Und die Exporte nach China waren letztes Jahr erstmals grösser als jene nach Italien oder Frankreich!

b) Zu den Zielen setzen vermerkt er, dass unser Wille zur Zusammenarbeit mit der EU nicht erlahmen darf. Aber wir müssten pragmatisch vorgehen und vorerst einmal eine Pause machen. Während dieser sollte man Dinge regeln, die nichts mit dem EU-Marktzugang zu tun haben, etwa das Forschungsabkommen oder die Kohäsionsmilliarde. Sodann sollten wir uns gemäss Widmer für die Wiederbelebung der Welthandelsorganisation einsetzen. Mittelfristig sollte die Schweiz auch Modelle wie ein Freihandelsabkommen à la Kanada prüfen.

Quellenangaben

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