Beispiel eines typischen Umgehungsgeschäfts wegen Exportrestriktionen
Am Beispiel der früheren Holzverzuckerungs AG ("HOVAG") - jetzige Ems-Chemie
Die Napalm (Brandwaffe)-Variante “Opalm” wurde jahrelang weltweit in kriegsführende Länder exportiert. Lange galt die tödliche Brandwaffe als Sowjet-Produkt. Aufgrund neu aufgetauchter Dokumente ist jetzt anscheinend klar, dass Opalm in der Schweiz entwickelt und aufgrund der fehlenden Schweizer Ausfuhrbewilligung in Deutschland produziert wurde.
Die Spuren in der Schweiz gehen ins Bündnerische Domat/Ems zurück, wobei es dann in Deutschland produziert und von der hiesigen Flugwaffe getestet wurde. Auch die Schweizer Armee wollte die neue Waffe anschaffen. Sie hatte die Qual der Wahl, weil sie von folgenden Parteien Muster erhielt:
- einer US-Firma
- einer französischen Firma für “Octogel”
- einer niederländischen Firma für “Metavon”
- sowie von der Schweizer Firma Holzverzuckerungs AG (HOVAG), die ein “ein verbessertes Napalm” namens «Opalm» anbot
Die treibende Kraft hinter Hovag, der heutigen Ems-Chemie, war der Gründer Werner Oswald, der nach Kriegsende 1945 nach neuen Geschäftsideen suchte. Napalm war eine davon. Oswald liess Opalm entwickeln und patentieren. Mit dem Argument, im Kriegsfall könne die Hovag eine vom Ausland unabhängige Produktion garantieren, bot er es auch der Schweizer Armee zum Kauf an. Der Bundesrat entschied sich aber dagegen, weil es viermal teurer war als amerikanisches Napalm.
Doch Oswald hatte bereits einen ausländischen Kunden in Form des südostasiatischen Staats Burma an der Angel. In diesem Staat herrschten anno dazumal bürgerkriegsähnliche Zustände. Burma bestellte Opalm für tausend Bombenfüllungen, plus Hüllen und Zünder, die von Schweizer Partnerfirmen der Hovag produziert werden sollten. Doch als der Bundesrat im Herbst 1954 die Ausfuhrbewilligung verweigerte, beschloss Oswald, die Produktion nach Deutschland zu verlegen.
Bei unserem nördlichen Nachbar gab es Mitte der Fünfzigerjahre noch kein Waffenausfuhrgesetz, das den Export von Brandkampfstoffen regelte. Also wurden die Produktionsanlagen in Ems abgebaut und im südwestdeutschen Karlsruhe wieder aufgebaut. Es war ein typisches Umgehungsgeschäft mittels eines Reihengeschäfts: Der Verkauf und die Verrechnung liefen über die Schweiz, während die Produktion im Ausland erfolgte und von dort direkt an die Kunden verschickt wurde. Das widersprach zwar dem Geist des Schweizer Rüstungsgesetzes, war aber seit einem Bundesgerichtsurteil von 1951 legal. Vorausgesetzt, dass die Waffen nie Schweizer Boden berührten.
Im Weiteren übertrug Oswald die Abwicklung der Opalm-Geschäfte an die Firma Patvag AG, die ihm und seinen Brüdern gehörte. So konnte sichergestellt werden, dass die Gewinne nicht bei der staatlich subventionierten Hovag landeten, welche die Opalm-Entwicklung finanziert hatte, sondern in den Taschen der Familie Oswald.
Der Bundesrat, der kurz vorher die Ausfuhr von Opalm abgelehnt hatte, bewilligte nun ein anderes Geschäft für die Lieferung von 1000 in Basel hergestellten Bombenhüllen nach Burma. Was die Zünder anging, behalf sich der damalige Patvag-Direktor mittels einer Falschdeklaration: Er deklarierte sie als “Kunststoffbehälter”, die unter Dual-Use Güter fallen, und wollte sie nach Pakistan schicken. Doch der Schwindel flog dank eines misstrauischen Schweizer Zöllners auf. Da der Patvag-Direktor jedoch beste Beziehungen zur Bundesverwaltung besass, reichte er ein zweites, korrektes Ausfuhrgesuch ein, das umgehend bewilligt wurde.
Ein Hovag-Mitarbeiter war darüber so empört, dass er den Chefredaktor der Tageszeitung “Die Tat” (1978 eingestellt) kontaktierte. Er informierte ihn nicht nur über die Falschdeklaration, er behauptete sogar, der Präferenznachweis der Zünder sei gefälscht. Doch dieser, der auch Nationalrat des Landesrings der Unabhängigen war, wollte sich offenbar nicht mit Hovag anlegen und so nahm die Geschichte ihren Lauf.