Interview mit Seco-Chefin nach Angriff von US-Botschafter wegen Sanktionen

Helene Budliger Artieda wehrt sich gegen die Vorwürfe des US-Botschafters in der Schweiz

Compliance, Export
18.04.2023 von Markus Eberhard
Ein von Händen gehaltenes Tablet, auf dem eine Checkliste zu sehen ist

Mitte März hat der US-Botschafter in Bern, Scott Miller, in einem Interview klar zu erkennen gegeben, dass er mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nicht zufrieden ist. Er erwähnte, dass ihn «gewisse Kommentare» von Seco-Staatssekretärin Helene Budliger Artieda beunruhigten, «weil sie den Nutzen von Embargos / Sanktionen infrage stellt». Daraufhin hat sich die Angegriffene in einem ausführlichen Interview mit der NZZ gewehrt. Für sie ist klar: Die Schweiz steht zu Unrecht am Pranger.

In diesem langen Interview, das die NZZ mit der Seco-Chefin führen konnte, ging es vor allem auch um die Konfiskation von privaten russischen Vermögenswerten in der Schweiz. Doch sind einige Fragen / Antworten auch allgemein sowie für unsere Exporteure interessant. So unterstellte Botschafter Miller Frau Budliger Artieda etwa, persönlich den Nutzen von Sanktionen infrage zu stellen. Im Interview verneinte sie das jedoch und machte darauf aufmerksam, dass sie gefragt wurde, ob die Sanktionen gegen Russland volle Wirkung entfalteten. Darauf habe sie erklärt, dass eine Mehrheit aller Länder weltweit nicht mitmache und Russland folglich ausweichen kann.

Auf Unverständnis stösst international auch die harte Auslegung zur Weitergabe von in der Schweiz produziertem Kriegsmaterial durch Drittländer an die Ukraine. Der Journalist wollte wissen, ob das Seco, das für die Ausfuhrbewilligung von Kriegsmaterialexporten zuständig ist, dabei zu formalistisch sei. Worauf sie meinte, dass die Gesetzeslage klar sei und es dadurch keinen Interpretationsspielraum gebe. Einen kleinen, den sich der Bundesrat beim Kriegsmaterialgesetz wünschte, hatte ihm das Parlament nicht gewährt. Das Seco verfolge die derzeitige parlamentarische Diskussion mit Interesse und sie persönlich auch mit einem etwas Hoffnung. Aber als Seco seien sie nicht die Richtigen, um so fundamentale politische Fragen wie diejenige nach der richtigen Auslegung der Neutralität zu beantworten.

Angesprochen darauf, dass die gegenwärtige Politik der Exportkontrolle immerhin einen wirtschaftlichen Aspekt habe, da sie die Exportfähigkeit und damit die Überlebensfähigkeit der schweizerischen Rüstungsindustrie beschneidet, meint sie, dass Deutschland den Standort Schweiz für Rüstungsgüterbeschaffung inzwischen offen infrage stellt. Aber auch hier verweist sie darauf, dass das Seco keine Industriepolitik macht und sie nicht dazu da seien, die Rüstungsindustrie behördlich zu schützen.

Am Schluss kam auch noch das Netz von 33 Schweizer Freihandelsabkommen zur Sprache. Der Journalist merkte an, dass darunter einige grosse Märkte fehlten und auch in diesem Bereich Durchbrüche seit Jahren auf sich warten lassen. Offenbar käme der bilaterale Weg an sein Ende. Helene Budliger merkte an, dass die goldenen Jahre der Freihandelsabkommen vielleicht vorbei seien. Was auch damit zusammenhänge, dass unser Land keine ganz einfache Braut sei: Die Schweiz sei bei der Landwirtschaft defensiv, aber der Schutz von geistigem Eigentum und Patenten sei absolut essenziell für uns. Dazu käme, dass wir inzwischen auch bei der Nachhaltigkeit sehr ambitiös seien, sie aber dennoch optimistischer sei als der Interviewer.

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