Lobby gegen Verschiebung Abschaffung Industriezölle
Betroffene reagieren sauer auf mögliche Verschiebung
Was wir vor drei Wochen thematisiert haben im Beitrag Späteres Inkrafttreten der Abschaffung Industriezölle? ist nun auch der NZZ einen Artikel wert, zumal es offensichtlich heftige Reaktionen bei Betroffenen gibt: Die mögliche Verschiebung der Abschaffung von Zöllen / Zollabgaben beim Import auf allen Gütern ausserhalb der Landwirtschaft und Fischerei (sog. «Industriezölle»).
Diese Abschaffung wäre schon auf den Beginn des nächsten Jahres, also per 1.1.2023 möglich gewesen, doch der Bundesrat legte das Aufhebungsdatum für die Industriezölle auf den 1.1.2024 fest. Was per se für die hauptbetroffenen Unternehmen, zu denen auch einige unserer Kunden zählen, kein eklatanter Nachteil ist, da sie sich entsprechend vorbereiten können. Mit der in unserem obigen Newsbeitrag angedachten möglichen Verschiebung hat der Bundesrat jedoch die Wirtschaft aufgeschreckt. Seither lobbyieren die Wirtschaftsverbände bei Bundesrat und Parlament gegen eine Verzögerung. Ihr Kernargument: Die Vorbereitungsarbeiten seien aufgrund des rechtsgültigen Inkraftsetzungsbeschlusses des Bundesrats von diesem Februar (2022) angelaufen.
Unter anderem habe die Industrie Lieferverträge angepasst und durch eine Verschiebung werde es Probleme mit ausländischen Lieferanten und Kunden geben. So legte sich der Präsident von Swissmem, Jean-Philippe Kohl, ins Zeug und fragt öffentlich: «Wie können wir den ausländischen Lieferanten erklären, dass der Beschluss der Regierung zur Abschaffung per Anfang 2024 plötzlich nicht mehr gilt?»
Besonders betroffen wäre die heimische Textilbranche, da knapp die Hälfte der fraglichen Importzölle auf den Sektor Textilien / Kleider / Schuhe entfällt. So sagt etwa der Geschäftsführer des Textilverbands Swiss Textiles, Peter Flückiger, dass die im Verband organisierten Unternehmen bereits Vorkehrungen und Investitionen hinsichtlich der Industriezollabschaffung per 1. Januar 2024 getroffen haben. Als Beispiele seiner Mitglieder nennt er:
- den Ausbau der Produktionskapazität
- Investitionen in einen grösseren Lieferwagen
- die Vorbereitung zur Auflösung eines Zwischenlagers in der EU, das es ohne Importzölle nicht mehr braucht.
Laut Flückiger erhöhen die Importzölle auf Textilien und Bekleidung die Beschaffungskosten der Branche um 250 bis 300 Millionen Franken pro Jahr. Die Lobbyisten befürchten vor allem, dass es im Fall einer Verschiebung nicht bei dem einen Jahr bliebe, was dann schon gravierende finanzielle Auswirkungen für die Unternehmen zur Folge hätte. Da der Bundesrat bei Beschlüssen über das Inkrafttreten der vom Parlament beschlossenen Gesetzesänderungen nicht unbegrenzten Spielraum hat, wird es interessant werden, zu welchem Zeitpunkt die Abschaffung nun kommt.