Präferen­zei­gen­schaft: Die «Zutaten» sind entscheidend

Compliance 13.10.2018 von Lea Derendinger
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Der präferenzielle Warenursprung ist ein wertvoller Produktstatus. Er garantiert einem Unternehmen, dass beim Import in bestimmte Länder nur niedrige oder gar keine Zölle anfallen. Die Grundlage für diese bevorzugte Behandlung bieten zahlreiche Freihandelsabkommen (FHA). Jedoch stellen diese Abkommen auch Bedingungen: Nicht nur das Endprodukt, sondern auch dessen «Zutaten» respektive (Vor-) Materialien oder Einkaufsmaterialien werden nach Präferenzeigenschaften untersucht und bewertet. Im schlimmsten Fall kann ein einziger Bestandteil des Produktes dazu führen, dass der Zoll ihm die Präferenzeigenschaft nicht zuspricht. Dies führt zu beträchtlichen Mehrkosten, welche die Marge schmälern oder gänzlich wegfressen können.

1. Riskantes Rappenspalten

Dazu ein fiktives Beispiel: Ein Schweizer Unternehmen stellt nichtelektrische Warmwasseraufbereiter (Durchlauferhitzer) her. Einen wichtigen Bestandteil der Anlage bildet die Heizvorrichtung, welche mit Öl betrieben wird. Nach mehreren harten Verhandlungsrunden entscheidet sich der Einkäufer des Unternehmens, die Heizvorrichtung von einem Lieferanten aus Malaysia zu beziehen. Dieser liefert sie 2 Franken günstiger als der konkurrierende Lieferant aus China. Einkäufer und Produktmanager machen die Preiskalkulation und präsentieren das Ergebnis stolz der Geschäftsleitung. «Wir haben einen Hit gelandet», heisst es in der Firma.

Der Durchlauferhitzer geht in Produktion, einige Monate später erfolgt die erste Lieferung nach China. Und damit folgt ein böses Erwachen: Weil das Produkt die Präferenzursprungseigenschaften (hier: Komponenten aus der Schweiz oder China) nur teilweise erfüllt, belegt China den Durchlauferhitzer mit einem zusätzlichen Zoll von 35 Prozent. Mit präferenziellem Ursprung erhöbe China für das Endprodukt aktuell nur 21.5 Prozent an Zoll. Das Unternehmen kann das Sparpotenzial von 13.5 Prozent nicht nutzen, der Einkaufsvorteil ist dahin, die Marge schmilzt.

Ein Einkauf der Heizvorrichtung in China wäre in diesem Fall für das Endprodukt vorteilhafter gewesen.

2. Mehrkosten vermeiden

Wie die Praxis zeigt, sind solche Fälle nicht selten. Denn nur den wenigsten Einkäuferinnen und Entwicklern ist bekannt, dass die Präferenzeigenschaft eines Produktes bereits mit dem Einkauf der (Vor-) Materialien beginnt. Anders gesagt: Für diesen Produktstatus ist nicht nur die Fabrik massgebend, sondern auch die Lieferanten / Zulieferer der Fabrik.

In der Praxis heisst dies: Wer klug einkauft und damit seinem Produkt den Status des präferenziellen Ursprungs sichert, kann Zölle / Zollabgaben vermeiden oder wenigstens deutlich senken. Wer hingegen den Ursprungseigenschaften seiner Einkaufsmaterialien oder Produktkomponenten zu wenig Beachtung schenkt, kann sein Produkt durch zusätzliche Zollabgaben unnötig verteuern.

Eine solide Kalkulation und Buchhaltung sind aber nur möglich, wenn Einkäufer die Zollabgaben ebenfalls berücksichtigen. Ansonsten operieren Unternehmen mit falschen Annahmen und zahlen – oft sogar unwissentlich – zu viele Abgaben (siehe dazu auch unseren Beitrag «Incoterms DDP – Vorsicht vor Doppelzahlungen»).

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finesolutions-Tipp

Prüfen Sie die präferenziellen Ursprungseigenschaften Ihrer Produkte nicht erst beim Export – denn dann ist es zu spät. Achten Sie vielmehr schon bei der Produkt- und Prototypenentwicklung auf einen strategisch klugen Einkauf der (Vor-) Materialien. Länder, mit welchen die Schweiz ein Freihandelsabkommen (FHA) abgeschlossen hat, sind in der Regel zu bevorzugen.

Integrieren Sie die Abklärung des Präferenzursprungs deshalb in Ihre internen Lieferantenbewertungen. Erheben und dokumentieren Sie die Aussenhandelsdaten Ihrer Lieferanten sauber, sehen Sie auf einen Blick, ob Sie die (Vor-) Materialien präferenzbegünstigt einkaufen können. Dokumentieren Sie den Präferenzstatus zudem in den Verträgen mit Ihren Lieferanten, sofern Sie bei gewissen Komponenten auf die Präferenzeigenschaft angewiesen sind.

3. Entschei­dender Einkauf

In vielen Unternehmen werden zuerst Prototypen entwickelt, (Vor-) Materialien eingekauft und erst dann werden die zukünftigen Absatzmärkte vertieft geprüft. Dieses Vorgehen können wir nicht empfehlen. Ansonsten ist die Chance gross, dass (Vor-) Materialien sowohl aus Freihandelszonen als auch aus Drittländern (Staaten ohne Freihandelsabkommen) eingekauft werden und das Endprodukt damit nicht die Kriterien für den präferenziellen Ursprung erfüllt.

Wie wichtig es ist, schon bei der Produktentwicklung an den Verkauf zu denken, mag ein Vergleich mit der Lebensmittelbranche zeigen: Wer seinen Kunden Bio-Apfelkuchen verkaufen will, tut gut daran, bereits bei der Rezeptentwicklung ausschliesslich Bio-Zutaten zu verwenden. Denn ein Kuchen, der zwar Bio-Äpfel und Bio-Mehl, aber Eier aus Käfighaltung enthält («der günstigste Lieferant!»), bekommt niemals die verkaufsnotwendige Bio-Zertifizierung. Eine falsche Zutat macht gewissermassen das ganze Produkt unverkäuflich.

4. Lieferanten­bewertung erweitern

Damit auf neuen Produkten keine «plötzlichen» Zollabgaben fällig werden, lohnt es sich, die Entwicklungs- und Einkaufsabteilung entsprechend zu sensibilisieren. Zur umsichtigen Evaluation eines Lieferanten und in die Lieferantenbeurteilung gehört neben den Basics wie Zuverlässigkeit, Qualität oder Produktpreis unbedingt auch die Qualität der Aussenhandelsdaten: Erhält man zu allen gelieferten Produkten die vollständigen Angaben wie Zolltarifnummer, Ursprungsland und Präferenzeigenschaft, und sind diese Angaben auch korrekt?

Wer diese Parameter nicht berücksichtigt, schafft sich früher oder später Probleme. Denn wenn ein Unternehmen alle Lieferanten definiert und die Präferenzkalkulation gemacht hat, stellt sich unter Umständen heraus, dass sie den erwünschten präferenziellen Ursprung wegen eines oder mehrerer Lieferanten gar nicht erreicht und auch keinen Präferenznachweis ausstellen kann. Als Folge davon werden zusätzliche Zölle erhöben, und die Marge schmilzt.

5. Strafzölle am Horizont

Der Welthandel ist derzeit in Bewegung, und leider in die Richtung von Protektionismus, Handelshemmnissen und willkürlichen Einschränkungen. Verschiedene bilaterale Streitigkeiten münden in immer neuen Strafzoll-Runden, und das über Jahrzehnte gewachsene System der Freihandelsabkommen (FHA) und -zonen erscheint zunehmend fragil. Es ist gut denkbar, dass diese Turbulenzen noch einige Zeit anhalten und mit der Zeit auch Schweizer Exporteuren das Leben schwer machen. Gerade deshalb ist es sinnvoll, den Präferenzeigenschaften mehr Beachtung zu schenken, und zwar von der Entwicklung neuer Produkte über den Einkauf der (Vor-) Materialien bis zum Verkauf und Export der Güter.

FineSolutions AG

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2 Beiträge zu «Präferenzeigenschaft: Die «Zutaten» sind entscheidend»

Meinrad Zehnder30. Oktober 2018

Guten Tag Frau Derendinger,

Word! Dem Einkauf kommt eine äusserst wichtige Aufgabe innerhalb der Präferenzeigenschaft zuteil. Wenn der Einkauf seine Aufgaben nicht oder nur teilweise erfüllt, wird es für den Verkauf enorm schwierig oder gar unmöglich vom Freihandel zu profitieren.

Gruss
Meinrad Zehnder

Lea Derendinger

30. Oktober 2018

Guten Tag Herr Zehnder

Herzlichen Dank für Ihren geschätzten Kommentar zu diesem Blog-Beitrag. Es ist nicht nur die Präferenzeigenschaft der Exportprodukte, welche von einer cleveren Beschaffungsstrategie abhängig ist. Das Einsparungspotenzial von Zollabgaben seitens Einkauf wurde in vielen Firmen noch nicht erkannt und somit werden zu viele Zölle bezahlt. Zuerst beim Einkauf der Vormaterialien und dann nochmals, auf der Kundenseite, sofern das Exportprodukt die Präferenzeigenschaft nicht erfüllt wegen "falschen Zutaten".

Viele Grüsse
Lea Derendinger