Podcast-Folge der Digitalen Gesell­schaft zum neuen Zollgesetz

Meinungen und Beurteilungen von Vereinsmitgliedern zu dieser umstrittenen Zollgesetzrevision

Allgemein
06.08.2023 von Markus Eberhard
Bild des Bundeshauses in Bern

In der Podcast-Episode 29 vom 30.07.2023 des Vereins «Digitale Gesellschaft» geht es im 1. Teil um das neue Zollgesetz, das bekanntlich die Basis für das Transformationsprojekt DaziT und das neue Zollsystem Passar bilden soll.

Die Digitale Gesellschaft ist gemäss eigenen Angaben ein gemeinnütziger und breit abgestützter Verein für Bürger- und Konsumentenschutz im digitalen Zeitalter. In diesem Newsbeitrag versuchen wir in der Folge eine Zusammenfassung dieser interessanten Podcastfolge zu geben.

Teilnehmer an dieser Episode waren Rahel Estermann (Vorstand Digitale Gesellschaft, stv. Generalsekretärin Grüne Schweiz), Jörg Mäder (Nationalrat, glp) und Erik Schönenberger (Informatiker, Geschäftsleiter Digitale Gesellschaft).

  • Gemäss den Teilnehmern soll mit dem neuen Zollgesetz die Grundlage für eine Massenüberwachung geschaffen werden
  • Ist das neue Zollgesetz nicht unbedingt ein digitalpolitisches Thema
  • Wurde es seit Veröffentlichung des 1. Entwurfs stark kritisiert (s. dazu unseren Newsbeitrag Harsche Kritik zur Revision des Zollge­setzes der Eidgenössischen Zollverwaltung)
  • Vorbereitende Nationalratskommission hat schon alleine für die ersten 2 (von 6 Blöcken) mehr als 90 Änderungsanträge bekommen
  • Deshalb wollte sie die Vorlage an den Bundesrat zurückweisen (s. dazu auch unseren Newsbeitrag Kommission für Rechtsfragen RK beantragt Rückweisung des Zollgesetzes)
  • Zumal auch von anderen Bundesstellen (Finanzdepartement, Justizdepartement) mehr als 30 Vorschläge gekommen seien, obwohl Vertreter dieser Departemente selbst am neuen Zollgesetz mitgearbeitet haben.
  • Dennoch hat sich der Nationalrat entschieden, das Gesetz nicht an den Bundesrat zurückzuschicken und an dieser Totalrevision festzuhalten (wegen Mehrheit aus SP, FDP und SVP). Siehe dazu unseren Newsbeitrag: Nationalrat entscheidet sich gegen Rückweisung Zollgesetz.
  • Im August soll die Debatte in der zuständigen Wirtschaftskommission beginnen

Die Meinungen der Teilnehmenden zu diesen anstehenden Debatten:

  • Milizsystem wird damit überfordert
  • Zurück an den Absender wäre besser gewesen, weil die Verwaltung besser geübt ist, mit solchen Arbeiten
  • Man steuert auf eine Monsterdebatte zu
  • Grosse Gefahr: Es wird endlose Kommissionssitzungen geben und die Frage wird dann aufkommen, ob es Erschöpfungszustände geben wird
  • Anscheinend wurde darauf verzichtet, eine Subkommission einzusetzen, die sich nur um dieses Geschäft kümmert. Ist das eine Art Trotzreaktion? Auf jeden Fall fanden die Teilnehmenden, dass es alles andere als gut sei

Aus folgenden Gründen interessiert das Zollgesetz den Verein Digital überhaupt:

  • Die Behörden möchten eine ganze Fülle von Daten, die beim Landes- /Grenzübertritt anfallen (von Personen, Waren, Fahrzeugen). Diese sollen gespeichert und im Rahmen einer «Risikoanalyse» und sog. «Profiling» danach ausgewertet werden.
  • Die Daten sollen an weitere Behörden weitergegeben werden, ohne dass klar ist, was mit ihnen geschehen wird!
  • Im Zollgesetz ist die Datenweitergabe sehr weit gefasst. Nicht nur der Aufgabenbereich, sondern auch das Einsatzgebiet, der neu als «Grenzraum» bezeichnet wird. Dieser soll bis ca. 30 Kilometer ins Landesinnere ermöglicht werden. Oder sogar ins «Zollgebiet» der Schweiz, was somit die ganze Schweiz bedeutet. Dies soll mittels automatischer Kontrollschilderkennung passieren.
  • Die sog. «Risikoanalysen» betreffen das Sammeln im Vorfeld eines Grenzübertritts. Damit sollen die Behördenkontrollen gezielter durchgeführt werden können. Diese Risikoanalysen sollen mit der oben geschilderten Kontrollschilderkennung angereichert werden.
  • Durch das Zusammenziehen von verschiedenen Datenquellen kann man deshalb von einer «Massenüberwachung» sprechen.

Es soll also unter anderem darum gehen:

  • Zu prüfen, ob eine Warenanmeldung plausibel und richtig ist
  • Personen zu identifizieren, die falsche Angaben bei der Warenanmeldung machen
  • Zu erkennen, ob nicht angemeldete Waren ein- oder ausgeführt werden, die nicht über die erforderliche Bewilligung verfügen
  • Feststellen von unerlaubten Grenzübertritten von Waren und Personen

Das sog. «Profiling» geht dann noch über die Risikoanalysen hinaus. Es handelt sich um die Auswertung von Mobilitätsdaten einer Person mit der Vermutung einer schweren Straftat. Woher kommen diese Daten? Diese fallen an bei Grenzübertritten, v.a. auch über die Fahrzeugerkennungsdaten. Die Person soll also mit Algorithmen (KI) einem Risiko-Check unterzogen werden. Die automatisierte Auswertung ist aber nicht ungefährlich (Diskriminierung etc.). Diese zwei Bereiche sind im Zollgesetz neu dazugekommen und deshalb sprechen die Teilnehmenden von «Überwachungsstaat».

Die Frage ist: Wie machen das die Grenzwächter bisher? Ein Profiling wurde bisher schon gemacht, aber halt mit Bauchgefühl, Erfahrungen und harten Fakten. Mit dem neuen Zollgesetz soll alles systematisiert werden und durch die Digitalisierung skalierbar. Das Kosten- / Nutzenverhältnis wird dadurch für den Staat interessant.

Zudem ist der vollautomatische Austausch mit anderen Behörden als sehr kritisch anzusehen (wie Bundesamt für Polizei (fedpol), Nachrichtendienst des Bundes, Staatssekretariat für Migration sowie kantonalen Polizeibehörden). Diese sollen direkt, ohne Umweg, auf die Daten des BAZG zugreifen können.

Alle diese Bedenken wurden bereits im November 2022 vom Verein Digitale Gesellschaft schriftlich den Kommissionsmitgliedern zugestellt. Die Mitglieder hoffen, dass diese Bedenken in den jetzt folgenden Anhörungen berücksichtigt werden!

Quellenangaben