Stand des Freihan­dels­ab­kom­mens EFTA-Mercosur Juni 2022

Nach Beinaheunterzeichnung drohte das Aus und jetzt gibt es wieder Hoffnungen

Compliance, Export
10.06.2022 von Markus Eberhard
Weltkarte, auf der CH und CN sowie JPN hervorgehoben sind und über denen wechselwirkend Pfeile aufeinander gerichtet sind

Das seit Jahren geplante Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten ist ein Debakel und sicher kein Ruhmesblatt der internationalen Diplomatie. Auch wir haben schon oft zu diesem Thema geschrieben und die letzte Nachricht vor einem halben Jahr war verhalten: Interview der NZZ mit Frau Ineichen-Fleisch vom SECO zu Freihan­dels­ab­kommen und CPTPP für die Schweiz. Zu diesem Zeitpunkt lag das bereits vorverhandelte Freihandelsabkommen allerdings schon auf dem Sterbebett, nur Frau Ineichen-Fleisch liess den NZZ-Redakteur wissen, dass genau das Gegenteil der Fall sei.

Doch den aufmerksamen Beobachtern war klar, dass erhebliche Meinungsverschiedenheiten unter den Vertragspartnern einen Abschluss verhindern. Obwohl es offiziell hiess, dass die Coronakrise den Abschluss gebremst habe. Wegen der Reisebeschränkungen sei es nicht möglich gewesen, die noch ausstehenden Arbeiten zu Ende zu bringen. Nun hat aber der Sprecher des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), Michael Wüthrich, auf Anfrage der NZZ zugegeben: «Es hat sich gezeigt, dass bei einigen inhaltlichen Punkten unterschiedliche Interpretationen bestehen. Noch sei unklar, bis wann diese geklärt werden könnten.»

Dass das Abkommen doch noch scheitern könnte, hat hauptsächlich zwei Gründe. Erstens gab es in Argentinien einen Regierungswechsel. Nach den verlorenen Wahlen übergab der wirtschaftsliberale Präsident Mauricio Macri das Zepter an Alberto Fernandez, der aus dem Mitte-links-Lager stammt. Dieser hat mit Freihandel viel weniger am Hut als sein Vorgänger.

Zweitens ringt auch die EU um ein Abkommen mit dem Mercosur. Wie die EFTA hatte auch Brüssel vor drei Jahren im Grundsatz eine Einigung erzielt. Jedoch machten das EU-Parlament und auch viele Mitgliedstaaten klar, dass sie den Vertrag in der bestehenden Form nicht annehmen wollten, da verbindliche Verpflichtungen zu Umwelt- und Sozialstandards sowie zum Schutz der Menschenrechte fehlten.

Der Handelsstreit zwischen diesen beiden Parteien trägt massgeblich dazu bei, dass sich die Ratifizierung des für uns wichtigen EFTA-Abkommens in die Länge zieht. Denn die Schweiz und die anderen Mercosur-Staaten wollen zuerst abwarten, welche Zusatzgarantien Brüssel von diesen verlangen wird, bevor sie über das weitere Vorgehen entscheiden.

In der Zwischenzeit gibt es jedoch hoffnungsvolle Zeichen dafür, dass die Verhandlungsblockade überwunden werden kann. Der Ausbruch des Ukraine-Kriegs und die wachsende Sorge der Europäer über ihre Versorgungssicherheit in den wichtigen Bereichen scheint neues Leben in die Verhandlungen zu bringen. Bis Ende Jahr könnte man die Umweltprobleme lösen, die einem Handelsabkommen im Wege stehen würden, erklärte EU-Kommissar Virginijus Sinkevicius im Mai. Und auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz drängte im Mai im Beisein des argentinischen Präsidenten auf Fortschritte in den Verhandlungen. Sollten sich die EU und die Mercosur-Staaten in diesen strittigen Punkten einigen, dürften auch die Verhandlungen der EFTA-Staaten neuen Schwung erhalten. Denn mit dem Abkommen würden mittelfristig rund 95 Prozent der schweizerischen Ausfuhren in die Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay mit insgesamt 260 Millionen Einwohnern von Zöllen / Zollabgaben befreit.

Es wird also nicht der letzte Beitrag von uns gewesen sein zu diesem Thema und wir halten Sie weiter auf dem Laufenden!

Quellenangaben