Ungewöhnliche Kritik von Wirtschaftsverbänden am Projekt DaziT des BAZG
Zehn Wirtschaftsverbände schlagen in einem gemeinsamen Brief an den Zolldirektor Alarm
Der Informatikteil des Reorganisationsprojekts DaziT des BAZG (Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit) kommt nicht wie gewünscht voran. Das fällt nun auch einigen wichtigen Akteuren auf. Zehn Wirtschaftsverbände schlagen in einem ungewöhnlichen Brief an den Zolldirektor Christian Bock Alarm.
Wie schon in vielen Newsbeiträgen über die letzten Jahre berichtet, wird der Schweizer Zoll mittels des Projekts DaziT komplett umgebaut und dabei gibt es an allen Ecken und Enden Probleme. Diese wurden erstmals öffentlich (als Beteiligte des DaziT-Subprojekts Passar sind wir unmittelbar direkt betroffen) im Herbst 2021, als die Eidgenössische Finanzkommission das Projekt erneut unter die Lupe nahm. In ihrem dritten regulären Prüfbericht (2021) berichtete sie sehr deutlich von den zahlreichen Problemen, auf welche die Prüfer gestossen waren. Insbesondere auf die anstehenden Kostensteigerungen und den Mangel an Steuerungsinstrumenten. Der Zolldirektor erklärte im November 2021 in einem Interview (NZZ-Interview mit dem Direktor des BAZG, Christian Bock) er gehe davon aus, dass «die Gesamtkosten absolut im Rahmen liegen werden».
Die Zollverwaltung verwies in ihrer Stellungnahme zum oben erwähnten Bericht der Finanzkontrolle im November 2021 auf die erst noch kommende «Feuerprobe» mit der Umsetzung des Warenverkehrssystems Passar, dessen erster Teil Mitte 2023 online gehen sollte: Mit Passar werde der «Kernnutzen» des DaziT-Projekts realisiert. Angesichts der grossen Handelsvolumen können auch prozentual geringe Einsparungen rasch ins Gewicht fallen. 2021 exportierte die Schweiz Güter für rund 260 Milliarden Franken, also im Mittel für über 700 Millionen Franken pro Kalendertag.
Doch nun zweifeln immer mehr Teilnehmer an den Versprechen des Zolls, sodass der Chef vergangene Woche dicke Post in Sachen DaziT / Passar erhielt: Zehn Wirtschaftsverbände meldeten in einem bisher unveröffentlichten Schreiben eindringlich Kritik an. Zu den Absendern zählen diverse Branchenverbände aus der Exportindustrie, Handelskammern, Verbände des Transport- und Logistiksektors sowie der gewichtige Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Die Absender beurteilen den gegenwärtigen Stand der Softwareentwicklung bezüglich der geplanten Einführung von Passar 1.0 auf Anfang Juni 2023 als «sehr kritisch». Ein Jahr vor der Einführung des Systems brauche es seitens des Bundesamts eine fertige Softwarelösung, damit die Nutzer in der Wirtschaft genügend Zeit für die nötigen Anpassungen einschliesslich Tests zur Integration der Informatiksysteme hätten.
Und was auch auffällt: Die Kritik aus der Wirtschaft geht über den mutmasslichen Mangel an Einbindung der Wirtschaftssubjekte und den Zeitfaktor hinaus. Ein Kernsatz des Briefs scheint das Projekt grundsätzlich infrage zu stellen: «Wir stellen jedoch fest, dass die Einführung von Passar im Vergleich zum bestehenden System lediglich minimale Vereinfachungen ermöglicht, aber zu unverhältnismässigen zusätzlichen Aufwänden für die Wirtschaft führt.» Das heisst: Entgegen den Versprechen zu Einsparungen für die Wirtschaft übersteigen die erwarteten Kosten aus Sicht der Absender den erwarteten Nutzen.
Wie erwartet teilt das BAZG die grundsätzliche Skepsis nicht und schreibt in einer Stellungnahme: «Das BAZG ist überzeugt, dass die Nutzenziele des Transformationsprogramms eingehalten werden.» Und: «Das BAZG wird sich bis Ende April ausführlich gegenüber den verschiedenen Wirtschaftsverbänden äussern und eine breit abgestützte Lösung anstreben.»