Wie das SECO Sendungen auf Export­kon­troll-Vorschriften prüft

Compliance 19.05.2021 von Lea Derendinger
Lesezeit 7 min Kommentare 6

Der Anruf aus dem Staatssekretariat für Wirtschaft SECO kam unerwartet. «Ihre Sendung nach Syrien wurde gestoppt, wir möchten die Einhaltung der Exportkontroll-Vorschriften überprüfen», erfuhr einer unserer Kunden am Telefon.

Gleichzeitig erhielt er vom SECO eine lange Liste von Fragen. Diese bezogen sich vor allem auf zwei Themen.

  1. Hatte der Exporteur seine Pflichten erfüllt und alle notwendigen Punkte bezüglich der gelieferten Güter abgeklärt?
  2. Durfte die fragliche Sendung wegen der bestehenden Sanktionsmassnahmen überhaupt nach Syrien ausgeliefert werden?

Die Exportkontrolle, vielen Unternehmen nur als Begriff bekannt, erhielt damit plötzlich ein Gesicht. Denn die fraglichen Güter wurden unter einer Zolltarifnummer angemeldet, die möglicherweise auch Dual-Use Güter umfasst und die Lieferung erfolgte in ein sanktioniertes Bestimmungsland. Unser Kunde hatte die Ausfuhr jedoch ganz normal im e-dec Export Verfahren angemeldet und sie bei der Frage nach der Bewilligungspflicht als «bewilligungsfrei gemäss Deklarant» deklariert. Eine Ausfuhrzollanmeldung, welche vom SECO in diesem Fall überprüft wurde. Denn diese Stelle hat jederzeit das Recht, eine sendungsbezogene Überprüfung der Einhaltung der Exportkontroll-Vorschriften vorzunehmen. Wie Sie sich darauf vorbereiten können, beschreiben wir in diesem Beitrag.

1. Fallen die Artikel unter Dual-Use Güter?

Dual-Use Güter können nicht nur für zivile, sondern auch für militärische Zwecke verwendet werden, sofern diese den entsprechenden Bestimmungen unterliegen. Je nach Eigenschaft oder nach technischen Spezifikationen besteht für diese Produkte eine Bewilligungspflicht beim Export. Die gesetzlichen Grundlagen dazu sind in der Güterkontrollverordnung festgehalten.

«Dual Use»-Produkte werden vom SECO in den Güterkontrolllisten publiziert und jeder Exporteur ist verpflichtet, den Abgleich zwischen seinen Exportgütern mit der Güterkontrollliste vorzunehmen. Falls ein Produkt den Bestimmungen der Güterlisten entspricht, braucht es für den Export, egal in welches Bestimmungsland, eine Ausfuhrbewilligung.

2. Sankti­ons­mass­nahmen – bei welchen Ländern ist besondere Vorsicht geboten?

Es bestehen diverse länderspezifische Embargo / Sanktionen, in welchen geregelt wird, welche Finanz- und Handelsbeschränkungen für das Lieferland beachtet werden müssen. In diesem Praxisbeispiel wurde die Lieferung nach Syrien angemeldet. Für dieses Land bestehen Sanktionsmassnahmen, welche oft in Kombination mit den gelieferten Gütern und dem Bestimmungsland publiziert werden. Bei jeder Lieferung in ein sanktioniertes Land müssen zusätzlich zur Dual-Use-Güterprüfung noch die Sanktionsmassnahmen beachtet werden.

3. Ist der Geschäfts­partner auf einer Sankti­ons­liste vermerkt?

Als weiterer Teilschritt der Exportkontrolle müssen die involvierten Geschäftsparteien auf Einträge in den internationalen Sanktionslisten geprüft (auch Blacklists genannt) werden. Dies geschieht bei vielen Firmen durch eine regelmässige und oft automatisierte Sanktionslistenprüfung aller Adressdaten.

4. Welche Fragen zu den Export­kon­troll-Vorschriften müssen beantwortet werden?

Diese Abklärungen sind zentrale Voraussetzung für den rechtskonformen Export der Güter. Sie müssen deshalb seriös angegangen und dokumentiert werden. Denn im Zweifelsfall muss der Exporteur rasch und überzeugend beweisen, dass er seinen Pflichten nachgekommen ist. Das zeigt der Fragenkatalog, welcher unserem Kunden vom SECO zugestellt wurde (und den wir mit der freundlichen Erlaubnis des Kunden hier wiedergeben dürfen):

  • Wurde die geplante und deklarierte Ausfuhr durch den Ausführer und den Spediteur auf Bewilligungspflichten und Beschränkungen im Rahmen der Güterkontrollverordnung und der Syrien-Sanktionsverordnung überprüft?
  • Wurden durch den Ausführer und den Spediteur die involvierten Geschäftsparteien auf Listungen durch die schweizerischen Massnahmen überprüft?
  • Ist der Empfänger der Güter in Syrien von den schweizerischen Sanktionen erfasst?
  • Sind die involvierten Banken von den Sanktionsmassnahmen betroffen?
  • Wurden die Güter dahin gehend geprüft, ob diese von den Güterkontrolllisten der Anhänge zur Güterkontrollverordnung erfasst und ob diese Güter von den Anhängen zur Syrien-Sanktionsverordnung gelistet sind?
  • Welches ist der Endverwendungszweck in Syrien?
  • Wer ist der tatsächliche Endempfänger dieser Güter?
  • Handelt es sich um Güter mit Schweizer Ursprung oder sind auch Güter mit ausländischem Ursprung Teil dieser Ausfuhr?
  • Liegen für die ausländischen Güter Genehmigungen der Lieferländer für Syrien vor?
  • Kann der Ausführer eine militärische Verwendung ausschliessen?

5. Ist die Export­kon­trolle in der Export­ab­tei­lung anzusiedeln?

Solche Fragen zur Einhaltung von Exportkontroll-Vorschriften können durch den Exportkontrollverantwortlichen nur beantwortet werden, sofern die Exportkontrolle korrekt im Betrieb umgesetzt wurde und ein Internal Compliance Program (ICP) vorhanden ist.

Bei unserem Kunden ist dies der Fall. Er hat bei seiner Antwort unter anderem ein Protokoll der Sanktionslistenprüfung mitgeschickt für die Bestätigung, dass die Sanktionslistenprüfung erfolgt ist.

Damit konnte er beweisen, dass man vor dem Versand den tatsächlichen Empfänger der Sendung in Syrien überprüft hatte. Auch die übrigen Abklärungen konnten sofort und mit soliden Belegen dokumentiert werden.

Die Exportkontrolle sollte nicht zum allerletzten Zeitpunkt geprüft werden, weil es da oftmals zu spät ist, um korrekt zu reagieren. Eine Güterprüfung sollte durch technisch versierte Personen schon bei der Anlage der Artikelstammdaten durchgeführt werden. Die Güterkontrollliste ändert sich einmal im Jahr und deshalb müssen die Neuerungen jährlich übernommen werden.

Die länderspezifischen Sanktionsmassnahmen sollten schon in der Angebotsphase geprüft werden, damit dem Kunden nicht etwas «versprochen» wird, was dann gar nicht geliefert werden darf.

Eine Sanktionslistenprüfung ist in der Angebotsphase und zum Zeitpunkt des Exportes durchzuführen. Bei längeren Produktionszeiten ist es von Vorteil, wenn die Empfängeradresse zusätzlich regelmässig geprüft wird, damit der Exporteur sicher ist, dass die Güter geliefert werden können.

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finesolutions-Tipp

Gestoppte Sendungen werden meistens rasch freigegeben, wenn Sie die nötigen Nachweise erbringen können. Protokolle, Aktennotizen und weitere Dokumente belegen, dass Sie Ihre Pflichten als Exporteur erfüllt haben.

Etablieren Sie deshalb die entsprechenden internen Prozesse für die Exportkontrolle in Ihrer Firma. Achten Sie darauf, diese Schritte fest im Arbeitsablauf zu verankern, unabhängig von einzelnen Personen und deren Fachwissen.

Diese Umsetzung im Betrieb kann einige Zeit in Anspruch nehmen, und nicht jedes Dokument ist perfekt. Wenn das SECO jedoch feststellt, dass die entsprechenden Prozesse vorhanden sind und die Prüfschritte eingehalten werden, können Sie in den meisten Fällen mit einer wohlwollenden Beurteilung rechnen.

6. Gilt in Zukunft eine schärfere Gangart?

Die Exportkontrolle wird die einheimische Industrie noch lange begleiten und tendenziell eher schärfer ausfallen. Insbesondere die internationalen Sanktionsmassnahmen gegen einzelne Länder (Sanktionen, Embargos) und die protektionistische Wende im Welthandel (US-Strafzölle) betreffen viele Schweizer Unternehmen.

Zudem ist eine strengere Gangart festzustellen: Das SECO sensibilisiert die Spediteure und Exporteure mit informativen Rundschreiben und wir werden häufiger kontaktiert, in Fällen wie diesen, wenn eine Sendung gestoppt wurde.

Das Thema wurde in der Vergangenheit bei vielen Firmen vernachlässigt und sollte aufgearbeitet werden, bevor die ersten Rückfragen der Behörden kommen.

Wer die Fragen bei einer solchen Überprüfung nicht sofort oder nur nach mehreren Anläufen beantworten kann, gerät rasch in den Verdacht, in diesem Bereich nicht fit zu sein.

Im schlimmsten Fall kann das SECO einen generellen Exportstopp verhängen und die erneuten Ausfuhren erst nach aufwendigen Verbesserungsmassnahmen gestatten.

7. Wie ist diese Kontrolle des SECO ausgegangen?

Unser Kunde hätte sich aufgrund der gestoppten Sendung also viel Ärger und Umtriebe einhandeln können. Zum Glück war dies nicht der Fall: Nach dem Besuch der Veranstaltung Seminar / Schulung Exportkontrolle vor einem guten Jahr war das Unternehmen sensibilisiert und hatte das Thema intern aufgearbeitet.

Innerhalb von 24 Stunden konnte die Firma deshalb sämtliche verlangten Antworten und Unterlagen liefern, und die Sendung wurde sofort freigegeben. Unser Kunde erhielt zudem einen zweiten Anruf aus dem SECO: «Sie haben alles vorbildlich dokumentiert. Wir gratulieren.»

Wie dieser Fall aus der Praxis zeigt, sollten Unternehmen deshalb nicht warten, bis sie vom SECO kontaktiert werden. Die Pflichten als Exporteur müssen genau abgeklärt und erfüllt werden.

Wer die entsprechenden Vorschriften einhält, unter anderem die Güterkontrollverordnung sowie die länderspezifischen Sanktionsmassnahmen und Adressprüfungen, kann jederzeit rechtskonform exportieren.

FineSolutions AG

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6 Beiträge zu «Wie das SECO Sendungen auf Exportkontroll-Vorschriften prüft»

Meinrad Zehnder 25. Juli 2018

Guten Tag Frau Derendinger,

Vielen Dank für den tollen und informativen Beitrag.

Ich kann mich dem Kommentar von Frau Gurtner nur anschliessen. Die Kontrolle / Auflagen sowie der allgemeine Druck die Zoll Compliance zu erfüllen sind stark gestiegen. Gerade diese Woche hatten wir den Fall, dass eine Sendung mit passiver Veredelung von Schlüsselringen unter Tarifnummer 7326 bei der Wieder-Ausfuhr aus Deutschland gestoppt wurden. Unser Lohnhersteller musste belegen, dass dieses Teil

a) nicht der Ausfuhrgenehmigung (Dual Use)untersteht
b) Gut zur Folter & Repression darstellt

Das ganze wurde dadurch verursacht, dass die Schweiz auf der EU Länderliste 1008 figuriert und als Drittland gilt. Wir konnten die richtigen Belege / Argumentationen sowie die notwendigen Sondercodierungen in Atlas für Ausfuhr aus der EU für unseren Lohnhersteller besorgen, welcher völlig überfordert war. Die Einfuhr in die EU aus der CH ist mit viel weniger Aufwand / Auflagen verbunden. Dies war auch für uns eine lehrreiche Erfahrung. Je nach Verkehrsrichtung und Bestimmungsland können die Auflagen stark variieren.

Freundliche Grüsse
Meinrad Zehnder
Grüezi Herr Zehnder

Herzlichen Dank für Ihren Kommentar zum Blog-Beitrag bezüglich der Exportkontrolle. Es hilft enorm, wenn Sie hier Ihre Praxiserfahrungen auch entsprechend mitteilen und somit auch andere Exporteure feststellen können, dass eventuell in diesem Thema noch Nachholbedarf besteht.

Vielen Dank und sonnige Grüsse
Lea Derendinger

Jürgen Boehler-Royett Marcano, SECO 25. Juli 2018

Der Artikel zeigt auf, dass die Exportkontrolle nicht erst beim Grenzübertritt der Güter erfolgen sollte, sondern dass sich der Exporteur eigentlich schon bei der Geschäftsanbahnung darüber Gedanken machen muss, ob allfällige nationale oder internationale Beschränkungen vorliegen. Der Bundesrat hat seit der Totalrevision der Güterkontrollverordnung vom 1. Juni 2016 die Erteilung von Bewilligungen vom Nachweis einer zuverlässigen firmeninternen Kontrolle der Einhaltung der Exportkontrollvorschriften abhängig gemacht. Um auch künftig Raum für unternehmensspezifische administrative Abläufe zu lassen, wurden die Modalitäten dieses Nachweises nicht im Detail vorgeschrieben. Die Verantwortung hierfür obliegt dem Unternehmen. Elementar für eine sachgerechte Exportkontrolle ist sicherlich die Beurteilung der Bewilligungspflicht. Der Exporteur muss seine Produktepalette dahingehend prüfen, ob diese von den Güterkontrolllisten erfasst sind (nicht zu verwechseln mit dem TARES). Aufgrund einer Erfassung können die Güter Bewilligungsverfahren unterliegen. Auch muss der Exporteur prüfen, ob die involvierten Geschäftparteien von Sanktionen tangiert sind. Diese Massnahmen sind im Vorfeld der Ausfuhr zu tätigen, nicht erst an der Zollgrenze. Insbesondere bei einem kritischen Bestimmungsland wie Syrien. Dadurch kann verhindert werden, dass Sendungen an der Grenze blockiert werden.
Guten Tag Herr Böhler

Es freut mich ausserordentlich, dass Sie meinen Blog-Beitrag kommentiert haben. Herzlichen Dank dafür. Wir sehen auch immer wieder Exporteure, welche die Güterklassifizierung des ganzen Produktsortimentes noch nicht vorgenommen haben und der falschen Meinung sind: «Wir exportieren ja kein Kriegsmaterial, somit sind unsere Güter bewilligungsfrei». Leider wird das Thema in vielen Firmen unterschätzt.

Herzlichen Dank und viele Grüsse nach Bern
Lea Derendinger

Manuela Gurtner 24. Juli 2018

Global heisst heute im Export Transparenz!
"Big Brother is watching you" wäre wohl die moderne Formulierung.
Jeder, der glaubt, er könne heute noch Sendungen exportieren, welche unbeachtet über die Grenze gehen, muss früher oder später teuer dafür bezahlen.
Bis jetzt waren die Schweizer Amtsgewalten noch human, aber die Tage sind vorbei. Auch diese kommen unter Druck, mehr Kontrollen zu machen und genauer hinzuschauen.
Ob es nun die ausländische Zollbehörde ist, welche Kontrollen in einem Unternehmen über das Schweizer Zollamt anordnet, oder das SECO, welche vertraglich mit der EU enger zusammenrückt und somit ihre Kontrollen verschärfen muss.
Liebe Manuela

Herzlichen Dank für Deinen Kommentar zu diesem Praxisfall.
Als global tätiger Betrieb wirst Du von den verschärften Kontrollen auch betroffen sein. Danke, dass Du mit Deinem Kommentar meinem Beitrag noch Nachdruck verleihst und ich hoffe, dass sich die Exporteure nun endlich mit der Thematik Exportkontrolle befassen. Du hast das Thema ja schon super umgesetzt in Eurer Firma.

Danke und liebe Grüsse
Lea