Brauchen Sie für alle Vormate­ria­lien eine Lieferan­ten­er­klä­rung Inland?

Allgemein 30.11.2017 von Olcay Erden
Lesezeit 7 min Kommentare 2

Das Thema präferenzieller Warenursprung ist nicht nur schwierig zu verstehen, sondern in der Praxis auch mühsam umzusetzen. Vor allem die Lieferantenerklärungen im Inland.

1. Viel Halbwissen und ein Beispiel

Im Gespräch mit unseren Kunden stellen wir immer wieder fest: Beim Thema präferenzieller Warenursprung ist Halbwissen vorhanden und davon ganz schön viel. Lassen Sie mich dies anhand eines Beispiels aus der Beraterpraxis in anonymisierter Form vor Augen führen.

Das fiktive Schweizer Maschinenbauunternehmen mit dem Namen «SwissMachines» exportiert regelmässig Kugellager in die EU. Die Kugellager stellen Ersatzteile von einzelnen Maschinen dar, die «SwissMachines» herstellt. Diese Kugellager bezieht «SwissMachines» von einem Schweizer Kugellagerhersteller mit dem Namen «SwissBearings», welche unverändert an die Kunden in der EU weiterverschickt werden.

Beim Erstellen der Handelsrechnung für den Export der Kugellager führt die Exportabteilung von «SwissMachines» die Ursprungserklärung im Sinn des Freihandelsabkommens Schweiz-EU auf, damit in der EU Zollabgaben von 8 % auf den Wert der Kugellager eingespart werden können. In der Verkaufs-/ Exportabteilung geht man automatisch davon aus, dass die Kugellager ja Schweizer Ursprung haben, da sie von einem Schweizer Hersteller, nämlich «SwissBearings», bezogen werden.

Drei Wochen später findet im Hause von «SwissMachines» eine Ursprungsüberprüfung durch den Schweizer Zoll statt. Der Zollprüfer kontrolliert diese Handelsrechnungen, verlangt die damalige Rechnung zwischen «SwissBearings» und «SwissMachines» und sagt: «Sie hätten bei den Handelsrechnungen keine Ursprungserklärung aufdrucken dürfen, da auf der Lieferantenrechnung zwischen «SwissBearings» und «SwissMachines» keine Lieferantenerklärung zu finden ist, die den präferenziellen Schweizer Ursprung für diese Kugellager bestätigt».

2. Lieferan­ten­er­klä­rung: Die Ursprungs­er­klä­rung für Inlandrechnungen

Natürlich wäre es für «SwissBearings» nun ein Leichtes, eine Lieferantenerklärung im genauen Wortlaut gemäss Zirkular, welches vom BAZG (Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit) im Juni 2016 veröffentlicht wurde, auf ihren Rechnungen an «SwissMachines» aufzudrucken. Doch darf sie das, ohne weitere Vorkehrungen zu treffen?

«Nein», meint der Zollprüfer. «Auch «SwissBearings» muss im Rahmen der Inlandlieferung für diese Kugellager zunächst eine Präferenzkalkulation durchführen, bevor sie eine Lieferantenerklärung auf ihren Rechnungen an Sie aufdrucken darf.»

3. Eine Präferenz­kal­ku­la­tion auch für Inland­lie­fe­rungen durchführen

Um den präferenziellen Schweizer Ursprung im Sinne des Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft zu bestätigen, muss «SwissBearings» zunächst eine Präferenzkalkulation durchführen.

Als Erstes konsultiert «SwissBearings» die Liste der erforderlichen Bearbeitungen, welche in der BAZG-Richtlinie R-30 zu finden ist.

Erfreut stellt sie fest, dass das Kriterium für die Listenregel bei der Zolltarifnummer 8482 für Kugellager («Herstellen, bei dem der Wert der verwendeten Vormaterialien ohne präferenziellen Ursprung 25 % des Ab-Werk-Preises des Erzeugnisses nicht überschreitet») erfüllt wird. Das Fertigen von Kugellager ist komplex und die Wertschöpfung in der Schweiz dementsprechend hoch. «SwissBearings» bezieht alle Bestandteile zu Kugellager wie Innenringe, Käfige oder Wälzkörper als präferenzbegünstigte Vormaterialien aus dem EU-Raum. Sie fertigt daraus im Schweizer Werk fertige Kugellager.

4. Offizi­eller Wortlaut einer Lieferan­ten­er­klä­rung und einer Ursprungserklärung

Erst nach dieser Präferenzkalkulation kann «SwissBearings» mit gutem Gewissen unter Angabe von Ort und aktuellem Datum die Lieferantenerklärung in folgendem, genauen und offiziellen Wortlaut auf ihre Rechnungen an «SwissMachines» drucken:

Wortlaut Lieferantenerklärung auf der Inlandrechnung:
«Der Unterzeichner erklärt, dass die in diesem Dokument aufgeführten Waren Ursprungserzeugnisse der Schweiz sind und den Ursprungsregeln im Präferenzverkehr mit der Europäischen Union entsprechen.»

Nun kann auch «SwissMachines», die nicht Ermächtigter Ausführer ist, für die Exportrechnung der Kugellager eine gültige Ursprungserklärung aufdrucken. Der offizielle Wortlaut der Ursprungserklärung für Rechnungen bis zur Wertgrenze von 10’300 CHF oder 6’000 EUR lautet wie folgt:

Wortlaut Ursprungserklärung eines Nicht-Ermächtigten Ausführers:
«Der Ausführer der Waren, auf die sich dieses Handelspapier bezieht, erklärt, dass diese Waren, soweit nicht anders angegeben, präferenzbegünstigte Schweizer Ursprungswaren sind.»

Der Unterzeichner dieser Rechnung muss noch seinen Vor- und Nachnamen in Druckbuchstaben ergänzen sowie seine Unterschrift. Beträgt der Gesamtwert der Rechnung mehr als 10’300 CHF oder 6’000 EUR, muss «SwissMachines» eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 erstellen, sofern eine präferenzbegünstigte Einfuhr im Bestimmungsland überhaupt gewünscht wird.

5. In welchem Fall macht das Einholen einer Lieferan­ten­er­klä­rung überhaupt Sinn?

Viele Firmen verlangen Lieferantenerklärungen für alle Vormaterialien, welche in ihre eigenen Maschinen eingebaut werden, oder für Ersatzteile, die sie später unverändert an Kunden weiterverschicken.

Oft wird der grosse Aufwand, der dabei für alle Beteiligten entsteht, unterschätzt. Ein Lieferant muss für sämtliche selbst produzierten Artikel mindestens eine Präferenzkalkulation oder auch mehrere durchführen; je nachdem, für welche Freihandelszone ein Kunde schlussendlich eine Lieferantenerklärung benötigt.

SwissMachines möchte die Kugellager nach Mexiko versenden und einen Präferenznachweis ausstellen. Deshalb muss der Lieferant SwissBearings eine Lieferantenerklärung an SwissMaschines ausstellen unter Berücksichtigung der Listenregel des Freihandelsabkommens Mexiko – EFTA. Dieses lautet für die Zolltarifnummer 8482: «Herstellen, bei dem der Wert der verwendeten Vormaterialien ohne präferenziellen Ursprung 50 % des Ab-Werk-Preises des Erzeugnisses nicht überschreitet.» Sie erinnern sich: Das Wertkriterium lautet für die EU 25 %.

Wie zu Beginn erwähnt, wird beim Import von Kugellager in die EU ein Zollsatz von 8 % erhoben. Wer aber genauer recherchiert: In Mexiko sind die Kugellager «natürlicherweise» zollfrei.

Folglich lohnt sich der Aufwand nicht, welcher für «SwissBearings» für die Präferenzkalkulation und das Erstellen einer Lieferantenerklärung entsteht, da auf Kugellager in Mexiko keine Zölle / Zollabgaben erhoben werden.

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finesolutions-Tipp

Klären Sie als Unternehmen zunächst ab, ob für Ihre Hauptprodukte in den gewünschten Ländern, mit welchen die Schweiz ein Freihandelsabkommen abgeschlossen hat, überhaupt Zollansätze vorgesehen sind – und wenn ja, wie hoch diese wirklich sind.

6. Lieferan­ten­er­klä­rungen in die Präferenz­kal­ku­la­tion einfliessen lassen: Auch hier mit Bedacht.

Lieferantenerklärungen können auch für Präferenzkalkulationen eines Fertigprodukts verwendet werden, um in einer Stückliste den Wertanteil derjenigen Vormaterialien zu senken, welche im Sinne des gewünschten Freihandelsabkommens als Drittlandware gelten.

Swiss Machines erstellt eine Präferenzkalkulation für die eigen gefertigte Maschine unter der Berücksichtigung der Lieferantenerklärung von SwissBearings. Somit kann der Drittlandanteil in der Präferenzkalkulation der Maschine gesenkt werden.

Anhand des folgenden Beispiels möchte ich Ihnen den Sachverhalt leicht verständlich darstellen.

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Beispiel: Profilführungsschiene
  • Tarifnummer 8482.1010
  • FHA CH-EU
  • Wertkriterium Drittlandanteil maximal 25 %
  • Ab-Werk-Preis 60 CHF
Vormaterial Wert Wertanteil Drittland ja / nein
Kugellager 5 CHF 8.4 % Nein, mit gültiger Lieferantenerklärung
Führungsschiene 20 CHF 33.3 % Ja
Führungswagen 15 CHF 25.0 % Ja
Arbeit und Gewinn CH 20 CHF 33.3 %
Ab-Werk-Preis 60 CHF 100 %

Nach dieser Präferenzkalkulation stellen Sie fest, dass die Profilführungsschiene keinen präferenziellen Ursprung Schweiz im Sinn des FHA CH-EU erlangt. Mit Total 58.3 % Drittlandsanteil übersteigen die Führungsschiene und die Führungswagen die maximal zulässigen 25 %.

Es hat also gemäss obigem Beispiel nicht ausgereicht, nur für die Kugellager eine Lieferantenerklärung einzuholen. Vielmehr hätte der Vor-Ursprungsnachweis zusätzlich für die Führungsschiene vorliegen müssen, damit die fertige Profilführungsschiene präferenzieller Ursprung Schweiz erlangt hätte.

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finesolutions-Tipp

Im Freihandelsabkommen zwischen – beispielsweise – EFTA und Kanada gelten Vormaterialien aus der EU als Drittlandwaren, selbst wenn die EU mit Kanada ein Freihandelsabkommen abgeschlossen hat (CETA).

Icon und Symbol für Checkliste Fazit
Fazit

Bevor Sie als Unternehmen für alle Vormaterialien eine Lieferantenerklärung einholen, werfen Sie doch zuerst einen Blick auf Ihre eigene Präferenzkalkulation für die gewünschten Produkte. Ziehen Sie nur diejenigen drittländischen Vormaterialien innerhalb der Stückliste in Betracht, die den grössten Wertanteil ausmachen. Andernfalls beschäftigen Sie nicht nur sich selbst mit der lückenlosen und sauberen Bewirtschaftung und Präferenzkalkulation, sondern auch Ihren Lieferanten. Und genau für diese ist der Aufwand überproportional hoch, da sie oftmals gar keine Ahnung von der Materie haben.

Verlangen Sie also nicht Lieferantenerklärungen für kleine Bestandteile wie Schrauben oder Verpackungsmaterial, die in den meisten Fällen nur einen kleinen Wert des Ganzen ausmachen.

FineSolutions AG

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2 Beiträge zu «Brauchen Sie für alle Vormaterialien eine Lieferantenerklärung Inland?»

Michael Lehmann 15. Dezember 2017

Grüezi Herr Woodtli
Interessante und verständliche Zusammenfassung, um das eigene Wissen wieder etwas aufzufrischen.
Freundliche Grüsse M. Lehmann

Thomas Woodtli - finesolutions | 19. Dezember 2017

Guten Tag Herr Lehmann, vielen Dank für Ihren freundlichen Kommentar. Es freut mich, dass mein Beitrag aus Ihrer Sicht verständlich geschrieben ist, denn das ist manchmal für uns Berater mit der Fachbrille gar nicht so einfach. Wenn wir Sie im Detail unterstützen dürfen: Sie wissen, wo Sie uns finden. Ich wünsche Ihnen schöne Adventstage. Herzliche Grüsse, Thomas Woodtli