Listenregeln
Die Listenregeln bilden das Herzstück jedes Freihandelsabkommens. Man hört die Begriffe «Listenregeln», «Listenkriterien» oder «Ursprungsregeln» oft im selben Atemzug mit den Ausdrücken «Freihandelsabkommen» oder dem «präferenziellen Warenursprung». Doch was bedeuten sie wirklich? Wie interpretiert man diese und wo findet man sie überhaupt?
Der Begriff «Listenregeln» steht für die Kriterien, die eine Produktionsware erfüllen muss, um gemäss einem bestimmten Freihandelsabkommen zollbegünstigt oder gar zollfrei in ein Vertragsland importiert werden zu können. Diese Kriterien werden bei Ausarbeitung eines neuen Abkommens immer wieder neu festgelegt und können deshalb zwischen den einzelnen Freihandelsabkommen unterschiedlich sein.
Diese Regeln stehen in der Richtlinie R-30 der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV). Unter der Spalte Liste der «erforderlichen Bearbeitungen» finden beispielsweise den Link zu dem Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union.
Nachfolgend werfen wir der Einfachheit halber vor allem einen Blick auf das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union.
Jede Ware oder Warengattung hat eigene Bearbeitungskriterien. Damit alle Nutzer eines Freihandelsabkommens für die gleichen Waren dieselben Bearbeitungskriterien verwenden, werden die Listenkriterien über die Zolltarifnummer definiert. Die meisten Regeln sind auf Stufe der ersten vier Stellen einer Zolltarifnummer (auch HS-Position oder HS-Nummer) festgelegt.
Um das Lesen der folgenden Ausführungen angenehmer zu gestalten, werden «Artikel ohne präferenziellen Warenursprung des jeweiligen Freihandelsabkommens» generell als «Drittlandmaterialien» bezeichnet.
Es gibt hauptsächlich drei verschiedene Arten von Listenregeln:
- Kriterium anhand des Ab-Werk-Preises (Wertkriterium): Der Wert aller für ein Erzeugnis verwendeten Drittlandmaterialien darf den Ab-Werk-Preis dieses Erzeugnisses nicht um einen bestimmten Prozentsatz überschreiten.
- Kriterium anhand des Positionssprungs: Die ersten vier Stellen der Zolltarifnummer eines Erzeugnisses dürfen nicht die gleichen wie diejenigen aller für dieses Erzeugnis verwendeten Drittlandmaterialien sein.
- Bearbeitungskriterium: Ein Erzeugnis muss eine genaue definierte Bearbeitung erfahren haben.

Anhand der folgenden Beispiele zeigen wir Ihnen auf, wie diese im Wortlaut in der «Liste der erforderlichen Bearbeitungen» im Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU genau aussehen:
Art der Listenregel | HS-Position | Warenbezeichnung | Vorgegebenes Kriterium |
---|---|---|---|
Wertkriterium | 8501 | Elektromotoren | Herstellen, bei dem der Wert der verwendeten Vormaterialien 30 % des Ab-Werk-Preises des Erzeugnisses nicht überschreitet |
Positionssprung | Alle Positionen des Kapitels 88 | Luft- und Raumfahrzeuge | Herstellen aus Vormaterialien jeder Position, ausgenommen aus Vormaterialien derselben Position wie die hergestellte Ware |
Bearbeitungskriterium | Alle Positionen des Kapitels 61 | Gestrickte Bekleidung | Herstellen aus Garnen |
Haben Sie nun für Ihre Ware die entsprechende Listenregel gefunden und handelt es sich dabei um ein Wertkriterium, müssen Sie nun eine Präferenzkalkulation vornehmen, in der Sie den Anteil an Drittlandmaterialien dem Anteil an Materialien mit Ursprungseigenschaft gegenüberstellen und so herausfinden, ob Ihr Erzeugnis präferenziellen Warenursprung im Sinne des gewünschten Freihandelsabkommen erlangt.

Wie Sie nun erfahren haben, hängen die Listenregeln direkt mit den Zolltarifnummern zusammen. Reihen Sie Ihre Waren nicht in die richtige Zolltarifnummer ein, so ist auch die entsprechende Listenregel falsch. Wir bieten Ihnen neben unserer Zollberatung auch die Tarifierungsunterstützung an, beispielsweise zum Bereinigen Ihrer Zolltarifnummern in Ihren Artikelstammdaten. Zudem finden Sie bei finesolutions auch das Seminar Präferenzieller Warenursprung. Gerne auch als Inhouse-Ganztagesseminar, themenübergreifend und massgeschneidert auf Ihre Situation.
Unsere Angebote zum Präferenzieller Warenursprung
relevante Blogbeiträge
Listenregeln sind Kriterien, die eine Produktionsware erfüllen muss, um je nach Freihandelsabkommen zollbegünstigt oder zollfrei importiert werden zu können.
Synonyme sind:
- Listenkriterien
- Ursprungsregeln
Über den Autor
Olcay ErdenIn meiner Vergangenheit habe ich als Zolldeklarant bei internationalen Speditionen gearbeitet und danach als Zollspezialist in der Exportindustrie. Meine Praxiserfahrungen aus diesen zwölf Jahren bringe ich ein, damit ich Ihnen verständliche Empfehlungen und Praxistipps für Ihre tägliche Arbeit geben kann.
Dieser Beitrag wurde von Lea Derendinger überprüft
Kommentare / Fragen?